1934 am 6. Januar bin ich in dem an der Bahnstrecke Arnstadt-Oberhof liegenden thüringischen Dorf Gräfenroda im Tal der Wilden Gera geboren. Den Beinamen „wilde“ hat das Flüsschen, weil gelegentlich im Frühjahr zur Zeit der Schneeschmelze aus den Tälern um den Schneekopf und den Großen Beerberg recht erhebliche klare Wassermassen von den Bergen herunter fließen und sich in dem Bach vereinen, um talabwärts dem offenen Land zuzueilen. Die Menschen sind auch dort, wie an vielen Orten freundlich, hilfsbereit und arbeitsam.

Mein Vater, 1904 zu Steinbach-Hallenberg geboren, erlebte den ersten Weltkrieg, lernte und arbeitete als Holzhauer und wurde später Kraftfahrer. Seinen Wunsch Förster zu werden, konnte er in der Inflations- und der nachfolgenden Zeit nicht verwirklichen.

Meine Mutter, 1911 zu Geschwenda in Thür. geboren, arbeitete mit kleinen Unterbrechungen in verschiedenen Büros.

Der mütterliche Großvater war gelernter Porzellanmaler und Kaufmann. Der väterliche Großvater war Revierförster.

Von 1936-38 wohnten wir in Ilmenau, wo mein Vater als Kraftfahrer arbeitete. Meine Erinnerungen an diese kleine Stadt sind nur sehr zart, weil ich später sehr selten dorthin kam. Die Umgebung wirkte nachhaltiger auf mich: die Wege führten durch herrliche hügelige Wiesentäler, von stillen Bäumen gesäumt.

Danach sind wir nach Rudolstadt an der Saale verzogen, weil der Vater dort eine Arbeitsstelle als Kraftfahrer fand, und wohnten dort am Stadtrand. Ich hatte reichlich Abwechslung in dieser reizenden milden Gegend. 1939 mußte mein Vater ins Feld ziehen. Ostern 1940 kam ich in die Volksschule. Die Stadt liegt langgezogen an der Saale; dementsprechend waren auch die Schulwege. Mein Spielplatz reichte vom Fluß und den Saalewiesen bis in die nahe umliegenden Berge. Alte Burgen an der Saale machten einen tiefen Eindruck auf mich. Daneben beschäftigten mich U-Boote und englische Flugzeuge. Sie sagten mir am meisten zu und die dazugehörende Tarnbemalung mit den schönen Hoheitszeichen hat mich beeindruckt. „Flugzeugbauer“, dachte ich öfters, ist ein schöner Beruf.

Der Vater war den ganzen Krieg über an der holländischen Grenze und später in Holland; sein Einfluß auf mich war gering. Meine Mutter arbeitete in einem Büro: ihr Traum war eine Reise in die Alpen mit mir. So war ich mir selbst überlassen. Für mich eine herrliche Zeit. Vom Krieg verstand ich so gut wie nichts. Ich konnte mich meinen Gedanken an Flugzeuge widmen. Jagdflugzeuge wollte ich entwerfen, baute ausdauernd zahlreiche Spielflugzeuge und empfand dabei größtes Vergnügen.

Aus der Reise wurde bis heute nichts. Ich muß wohl damals schon nicht allzu viel vom Reisen gehalten haben. Diese Abneigung hat sich bis heute bei mir erhalten. Reisende sind für mich unter anderem Suchende, die noch nicht ihr Zuhause gefunden haben. Ich hatte ein zartes empfinden, daß der hagere heimatliche Boden für mich der beste Acker ist.

Beim Betrachten der Ostfront auf der Karte kam mir etwa 10jährigem einmal der Gedanke, es wäre doch viel schöner, wenn wir mit dem großen Land (SU) im Guten auskommen könnten und freundlich miteinander arbeiten würden.

Das Kriegsende erlebte ich abwechselnd bei beiden Großeltern. Als mein Vater nicht gleich nach den Kriegswirren heimkam, entschloß sich meine Mutter, mit Sack und Pack zu den Schwiegereltern nach Oberhof Thür. zu ziehen. für mich gab es dort reichlich Ablenkung von schulischen Dingen. Nach seiner Pension hatte der Großvater eine Kuh gekauft (so rot wie die Hirsche im Wald) mit dem Ziel: zwei rote Kühe wollte er („und forsch sollten sie gehen“) und einen Leiterwagen dazu. Kälber sollten aufgezogen werden, solange, bis „wir zwei rote Kühe vor dem Wagen haben“. Dabei sollte und wollte ich nun doch auch Förster werden.

Meine Mutter sagte: „Lerne nur erst einen wertigen (?) Beruf, dann kannst du immer noch machen, was du willst.“

Etwa in den Jahren 47-48 kam nun die Parole auf „daß nie mehr eine Mutter ihren Sohn beweint“. Alle Waffendarstellungen wurden nun auch in den Büchern/Kinderbüchern verboten; selbst Kinderbücher, in denen ein Förster mit der Flinte auf einen Hasen zielt, wurden verboten.

Die Fränze-Oma (Hollands-Großmutter) gab nun der ganzen Berufssuche eine neue Wendung. Sie sagte:“ Wenn nich mal mehr e Förschter e Gewehr tragen darf, dann brauchste auch ke Förschter zu werden.“ Ein Urgroßvater war auch schon Förster gewesen.

Wie gerufen tauchten nun zwei Berufe in einer ungenauen Vorstellung auf, von denen mir der eine vorerst etwas deutlicher war, besonders durch einen alten, solide gebauten Wecker mit mattblanken Nickelgehäuse, den ich zerlegte und wieder zusammenbaute. Mein Großvater Freytag hatte ihn aus Siebenbürgen aus dem ersten Weltkrieg mit heimgebracht. Vom Goldschmiedeberuf ahnte ich als etwa 13jähriger in eine Richtung erst mal so viel, daß eine gegeneinander gewickelte Bronzespirale, die ich abgebildet gesehen hatte und die aus einem Grab stammte, vielleicht Goldschmiedearbeit sein müßte. Dann sah ich mir hin und wieder gern eine Abbildung mit der Portraitbüste des Peter Parler aus dem Prager Dom aus einem der wenigen Kunstbücher, die meine Mutter hatte, an. Glücklicherweise machten mir diese beiden Eindrücke Mut.

Meine Mutter fand 1948 eine Lehrstelle bei einem Goldschmiedemeister Gustav Echterling in Arnstadt, der aus Deutsch-Eilau stammte. Mein Vater machte damals 8 Meter Holz aus Dankbarkeit, weil er mich als Lehrling aufgenommen hatte. Berufsschullehrer Eilhardt empfahl mir eine Fachschule, weil ich aus den Berufsschulwettbewerben gute und sehr gute Noten mitbrachte. Nach 3 Jahren machte ich mein Gesellenstück und arbeitete noch ein halbes Jahr beim Meister weiter. In gutem Einvernehmen verabschiedete ich mich und nahm bei Meister Rolf Bach in Suhl Arbeit auf, der bezahlte 14 Pfennige mehr pro Stunde. Vor allem wollte ich eine andere Werkstatt kennenlernen. Meister Rolf Bach unterstützte meine Bewerbung an einer Fachschule.

1953 wurde ich Student in einer Fachklasse für Goldschmiede in Erfurt am Hügel. 1954 löste der Sachse Präkelt die Schule mit den gut eingerichteten Werkstätten auf.

Ich durfte mein Studium am damaligen Institut für künstlerische Werkgestaltung Burg Giebichenstein weiterführen, meinem Wunsche gemäß. Für mich begann eine relativ schwierige Anfangszeit der Ein- und Umgewöhnung. Die von 1948 bis zum Studium 1954 an der Burg erarbeiteten Formauffassungen mußte ich völlig verlassen. Das Grundstudium wurde mir erlassen. Der Nachteil bestand darin, ich wußte erst ´mal nicht gleich, wohin es mit mir geht. Der Vorteil für mich aus nachträglicher Sicht. Ich brauchte kaum Kraft aufzuwenden, das Zeug wieder zu vergessen. Ich lebte mich allmählich und von Grund auf in die Werkstattauffassung des Herrn Prof. Karl Müller ein. Nach 4 Jahren bat ich um ein einjähriges Studium in der Plastik. Die Schulleitung erlaubte es, Prof. Müller war nicht erfreut darüber.

Für mich war es ein Jahr der Besinnung. Den größten Teil meiner Freizeit verwendete ich freiwillig der Gießerei. Damals bei Herrn Oberassistent Lichtenfeld. Ich diente von unten herauf. Besonders schöne, nachhaltige und bleibende Eindrücke erfüllen mich aus dieser Lichtenfeldschen Werkstatt.

Nach etwa 4 Jahren stiller Arbeit wurde ich zum begeisterten Anhänger der alten unausgesprochenen Burggedanken, der Lehrer und Schüler verbindenden Werkgemeinschaft. Nachträglich betrachtet, waren die beiden letzten Jahre an der Burg beruflich meine ersten echt frohen Jahre.

Ich löste mich von meinem Lehrer Prof. Karl Müller und ging zum Bildhauer G. Lichtenfeld. Im Lauf der Arbeit merkte bzw. ahnte ich, daß das Arbeiten mit der freien Figur mich der Lösung meiner Vorstellungen vom Sinn des Daseins nicht recht weiterbringen würde. Ich blieb nicht in der freien Plastik, bei meinem neuen selbstgewählten Lehrer Lichtenfeld, versuchte aber, in seiner Gießerei so viel als nur möglich zu lernen und von all den schönen Eindrücken aufzunehmen. Ich fand zu meinem Glück in der kurzen Zeit eines Jahres zu meinem ersten echten beruflichen und Lebenslehrer K. Müller zurück. Nun fühlte ich mich als sein beruflicher Sohn und ging froh an meine Arbeit. Von Lichtenfelds Gießereierlebnissen wollte ich mich aber auch nicht mehr lösen, so entstand der für mich richtige Wunsch, begründet auf echten beruflichen Grundlagen, für meine eigene Tätigkeit eine Metallwerkstatt und Gießerei selbst aufzubauen.

Ich finde meine damals erahnte, in meiner Berufspraxis erprobte Erfahrung und an anderen Werkstätten und Kollegen beobachtete Erfahrung bestätigt. Der größte Nutzen vor allem auf lange Sicht hin für eine Schule kommt von den Lehrern die eigene und funktionierende Werkstätten selbst betreiben und das können sie allerdings nur, wenn sie in Wechselwirkung mit den gestaltenden Kräften in sich, verschiedene, artverwandte Berufe in sich vereinen und dadurch praktisch die Möglichkeit haben, an allen Stücken … (hier endet der Text)

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